Das Epizentrum von allem ist das Selbstwertgefühl.

Als Psychotherapeutin fokussiere ich auf die Arbeit am Selbstbild. Unser Selbstbild entscheidet darüber, wie wir andere wahrnehmen und uns ihnen gegenüber verhalten.

In meiner 30jährigen Arbeit als Psychotherapeutin habe ich immer wieder festgestellt, wie zentral das Selbstbild eines Menschen für alle seine Beziehungen ist. Es entscheidet darüber, mit welchen Augen er andere Menschen betrachtet und wie er sich ihnen gegenüber verhält.

Alle psychischen Probleme folgen meiner Erfahrung nach einer klaren Grundstruktur: Die Ursache für jedes Problem, das eine Person mit sich selbst oder mit anderen hat, beruht auf ihrer Wahrnehmung der Realität.

Der Blick, mit dem wir uns selbst und die Welt wahrnehmen, wird erheblich durch unsere Kindheitserfahrungen beeinflusst. An viele dieser Erfahrungen erinnern wir uns nicht bewusst. Sie sind jedoch tief im Unbewussten eingegraben und prägen unsere Persönlichkeit. Diese Kindheitsprägungen – im Positiven wie im Negativen – werden in der Psychologie als das „Innere Kind“ bezeichnet. Unser „Inneres Kind“ beeinflusst auf der unbewussten Ebene sehr machtvoll unser Selbstbild und unsere Wahrnehmung.

Ein Beispiel. Wenn eine junge Frau – nennen wir sie Sara – über sich denkt „Ich bin nicht gut genug, ich genüge nicht“, dann wird sie andere Menschen häufig als überlegen wahrnehmen. Dass sie sich unterlegen fühlt, wird weitreichende Folgen auf die Gestaltung ihrer Beziehungen haben. Die Angst davor, von anderen Menschen aufgrund ihrer gefühlten Minderwertigkeit abgelehnt zu werden, wird einen großen Raum in ihrem Erleben einnehmen und sie motivieren, viele Dinge zu tun oder eben auch zu unterlassen.

Glaubenssätze entstehen während der Kindheit und prägen unser Selbstbild nachhaltig

Saras Glaubenssätze „Ich genüge nicht“ und „Ich bin unterlegen“ beherrschen ihr Selbstwertgefühl und bestimmen darüber, wie sie ihr Leben und ihre Beziehungen gestaltet: Sie bemüht sich beflissentlich, alle Erwartungen zu erfüllen. Sie will alles unter Kontrolle haben. Sie strebt nach Perfektion, ist sehr schlank, durchgestylt und beruflich sehr erfolgreich. Aber sie hat selten das Gefühl, wirklich sie selbst zu sein und sie lebt in der beständigen Sorge, andere könnten bemerken, wie ungenügend sie in Wirklichkeit ist.

Woher aber kommt diese tief verankerte Überzeugung?

Bei Sara sind ihre „Glaubenssätze“ und ihre damit einhergehenden Selbstschutzstrategien (Perfektions- und Kontrollstreben) auf eine ungünstige Prägung in ihrer Kindheit zurückzuführen.

Saras Eltern haben ihr – in dem guten Glauben, sie zu fördern – enge Grenzen gesetzt und sie häufig kritisiert. Dadurch ist in Sara die Überzeugung entstanden, dass sie eigentlich nicht genügt. Ihr Gehirn ist darauf programmiert worden, dass sie sich anstrengen muss, um anderen Menschen zu gefallen. Diese vermeintliche Gewissheit fungiert wie eine Brille, durch die Sara sich selbst und die Welt wahrnimmt.

Es ist wichtig, sich zu verdeutlichen, dass diese innere Programmierung willkürlich ist. Sie hat nichts mit Sara selbst zu tun. Wären Saras Eltern anders mit ihr umgegangen, hätte sie andere Glaubenssätze verinnerlicht. Jeder von uns hat in seiner Kindheit eine bestimmte Programmierung erfahren. Wir alle haben bestimmte Glaubenssätze entwickelt, die unser Inneres Kind prägen.

In jedem Menschen gibt es ein Schattenkind. Das Schattenkind verkörpert unsere schwierigen Prägungen

In meinem Ansatz unterscheide ich das Schatten- und das Sonnenkind. Das Schattenkind verkörpert unsere schwierigen Prägungen: die negativen Glaubenssätze und die daraus resultierenden belastenden Gefühle, die unsere Psyche auf einer unbewussten Ebene beeinflussen.

Als das Erwachsenen-Ich bezeichnet man dagegen die psychische Instanz, die unseren rationalen Verstand umfasst. Das Erwachsenen-Ich handelt bewusst und kann das Innere Kind regulieren. Obwohl einige Menschen mit ihrem Erwachsenen-Ich ihre negativen Prägungen genau reflektieren können, reicht das nicht aus, damit sie sich von ihrer alten, tiefsitzenden Programmierung lösen können.

Das Sonnenkind verkörpert das Positive, was wir von unseren Eltern mitbekommen haben. Es ist eine Metapher für den intakten Anteil unseres Selbstwertgefühls.

Das Sonnenkind ist in meiner Arbeit als Therapeutin aber auch – und das ist ganz wichtig – ein Sinnbild für all das, was wir uns in unserem Erwachsenenleben selbst neu gestalten können.

Wenn man die Struktur der eigenen Persönlichkeit kennt, kann man viele Probleme lösen, die vorher unlösbar erschienen

Viele Menschen befürchten, dass eine Therapie aufwendig und schmerzhaft ist. In meiner psychotherapeutischen Arbeit vertrete ich den Ansatz, dass es absolut nicht notwendig ist, seine Kindheit vollkommen aufzuarbeiten und sich mit sämtlichen inneren Verletzungen zu beschäftigen. Das kann im Gegenteil sogar kontraproduktiv sein, weil das Gehirn dadurch immer mehr auf die negativen Erfahrungen fokussiert.

Es reicht absolut, wenn man den roten Faden versteht, also eine grundsätzliche Idee davon entwickelt, welche Prägung man erfahren hat. Für den Fall von Sara bedeutet es beispielsweise, dass sie erkennt, dass sie durch die Strenge ihrer Eltern ein Schattenkind in sich beherbergt, dass von vielen Selbstzweifeln geplagt ist.

In meinem Buch „Das Kind in dir muss Heimat finden“ erkläre ich, wie man Bekanntschaft mit seinem Schattenkind schließt, seine negativen Glaubenssätze erkennt, sein Erwachsenen-Ich stärkt und zum Sonnenkind kommt.

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