Der Selbstwert – das Epizentrum unserer Psyche

Unsere frühen Prägungen bestimmen unser Selbstbild und unser Selbstwertgefühl und beide entscheiden maßgeblich darüber, wie wir andere Menschen wahrnehmen und was wir von ihnen erwarten. Aber auch in späteren Lebensjahren können wir uns Selbstbild noch verändern und verbessern.

Unser Bedürfnis nach einem guten Selbstwert beziehungsweise Selbstwerterhöhung ist nicht nur unser wichtigstes psychologisches Grundbedürfnis, sondern es zeichnet auch die menschliche Spezies aus: Andere, höher entwickelte Säugetiere haben ebenfalls ein Bedürfnis nach Bindung, Autonomie und Unlustvermeidung, aber der Wunsch, den eigenen Wert zu regulieren, setzt bestimmte menschliche Fähigkeiten voraus, über welche Tiere nicht verfügen. Hierzu zählt ein reflektierendes Bewusstsein, also die Fähigkeit über sich selbst nachdenken zu können. Diese Form von Reflexion ist wiederum an Sprache gebunden. Der Grundstein für unser späteres Selbstwerterleben wird jedoch bereits in den ersten zwei Lebensjahren in Form von Urvertrauen oder Urangst gelegt und befindet sich also im impliziten (unbewussten) Gedächtnis.

Während das Selbstwerterleben in den ersten zwei Lebensjahren diffus ist und wesentlich davon abhängt, ob die Eltern feinfühlig die Bedürfnisse ihres Kindes nach Bindung befriedigen, so bildet sich der Wunsch den eigenen Selbstwert zu stabilisieren, erst in der späteren Entwicklung des Kindes heraus. Hierfür benötigt es explizite, also bewusste mentale Prozesse. Ein Kind muss sich seines Selbst erst einmal bewusst sein, damit es Scham empfinden oder sich in seiner Ehre gekränkt fühlen kann. Es muss in seiner sprachlichen und kognitiven Entwicklung erst einmal so weit sein, dass es denken fühlen kann: „Mein Freund Benny kann viel schneller Roller fahren als ich“ oder „Ich bin schlecht in Mathe“. Erst durch diese Vergleiche, die auf einer sprachlichen Ebene stattfinden, entwickeln wir ein differenziertes Bild von unseren Fähigkeiten. Dieses wird selbstverständlich auch mitgeprägt durch die Botschaften, die wir von unseren Eltern und anderen Bezugspersonen erhalten. Somit entwickelt sich unser Selbstbild über eine längere Entwicklungsspanne, die auch die Pubertät und Jugend einschließt. Mit seinem Selbstbild und Selbstwert entwickelt der Mensch auch verschiedene Strategien seinen Selbstwert zu erhöhen (Annäherung) oder sich vor Verletzungen zu beschützen (Vermeidung).

Zwar hat die Eltern-Kind-Bindung einen starken Einfluss auf unser Selbstwerterleben, jedoch gibt es auch noch andere Faktoren, die unser Selbstbild bestimmen. So gibt es beispielsweise Eltern, die ihr Kind sehr liebevoll umsorgen und ihm auch ein sicheres Bindungsgefühl vermitteln, die jedoch in dessen späteren Entwicklungsjahren keine gute Vorbildfunktion einnehmen. Wenn ein Mädchen beispielsweise mit einer Mutter aufwächst, die sich selbst wenig zutraut und recht ängstlich durchs Leben geht, so kann das in diesem Mädchen starke Spuren hinterlassen. Die ängstliche Mutter möchte auch ihre Tochter vor den Gefahren dieser Welt beschützen. Ebenso wenig wie sich selbst traut sie auch ihrer Tochter nicht zu, dass sie sich wehren und durchsetzen kann. So können in der Tochter Glaubenssätze gedeihen, wie „Ich schaff das nicht“ oder „Das Leben ist gefährlich“. Ebenso kann ein Vater, der sehr konfliktscheu ist, seinem Sohn ein schlechtes Vorbild in seiner autonomen Entwicklung geben, weil er ihm nicht vorlebt, wie man seine Interessen angemessen vertreten kann. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Kultur, in der wir aufwachsen. Die Kultur hat einen mächtigen Einfluss darauf, ob ein Mädchen sich beispielsweise gleichwertig mit einem Jungen fühlt oder nicht.

Will man sich also mit seinen eigenen Prägungen auseinandersetzen, so ist es wichtig, nicht nur den Umgang der Eltern mit einem selbst zu betrachten, sondern auch die Rolle und die Vorbildfunktion zu analysieren, welche die Eltern eingenommen haben.

Aber auch Erlebnisse in späteren Lebensjahren können unser Selbstbild noch in die eine oder andere Richtung verändern. Dies kann im negativen Sinne geschehen, wenn wir im Erwachsenenleben ein Trauma, wie beispielsweise eine Vergewaltigung, erleben oder auch im positiven Sinne, wenn wir eine Psychotherapie machen oder auf anderen Wegen aktiv an unserem Selbstbild und Selbstwerterleben arbeiten.

Wir können als Erwachsene großen Einfluss auf unser Selbstbild, indem wir uns selbst reflektieren und uns aus der Identifizierung mit alten, negativen Glaubenssätzen lösen.

Für weitere Informationen zum Thema „Selbstwert“ empfehle ich dir mein Buch „So stärken Sie Ihr Selbstwertgefühl“.

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