Bindungsangst

Auswege aus der Bindungsangst – für Betroffene (Teil 1)

Wie für alle Probleme gilt auch für Bindungsängste, dass man die Ursache erkennen muss, um den Hebel für die Lösung an der richtigen Stelle anzusetzen. In meinem Psychoblog kann ich natürlich nicht individuell auf meine Leser:innen eingehen. Aber es gibt Themen, die mehr oder minder in allen bindungsängstlichen Beziehungen eine wichtige Rolle spielen. Drei dieser Themen umreiße ich hier als Denkanstoß:

Punkt 1: Stell dich deiner Angst vor Abhängigkeit!

In Liebesbeziehungen ist das Erleben einer gewissen Abhängigkeit unvermeidbar. Bindungsstabilen Menschen macht dieses Gefühl keine Angst. Menschen mit Bindungsstörungen haben aber in ihrem früheren Leben – vielleicht schon als Babys oder aber in einer vorhergehenden Beziehung – erlebt, dass sie nicht „abhängig und umsorgt“, sondern „abhängig und ausgeliefert“ waren. Um die erlebte Verletzung nicht erneut zu erleben, wollen sie mit allen Mitteln (innerlich) unabhängig bleiben.

  • Der erste Schritt ist deshalb die Erkenntnis, dass sich hinter dem diffusen Unwohlsein, der plötzlichen Ablehnung des Partners, der Genervtheit in Beziehungen oft die schmerzhaften Erinnerungen und Ängste vor Ausgeliefertsein verbergen.
  • Der zweite Schritt ist, sich vor Augen zu führen, dass man heute weder ohnmächtig noch total abhängig ist.

Mach dir regelmäßig bewusst: Wir sind erwachsene Menschen und wissen, dass Beziehungen nicht existenziell bedrohlich, sondern etwas Schönes sein können.

Punkt 2: Beschäftige dich mit deiner Angst vor Erwartungen!

Der Umgang mit Erwartungen ist einer der heikelsten Punkte in bindungsängstlichen Beziehungen und von bindungsängstlichen Menschen. Sie sind in gewisser Weise „Erwartungsphobiker“ und reagieren auf alle echten und vermeintlichen Erwartungen ihres Partners oder ihrer Partnerin mit einem heftigen Abwehrimpuls. Das liegt oftmals daran, dass sie sich früher zu stark den Erwartungen ihrer Bezugspersonen anpassen mussten bspw. um sich die Zuwendung ihrer Eltern zu sichern. In ihnen brodeln nun enorme Aggressionen gegenüber jedem, der ihnen vermeintlich Vorschriften machen will.

  • Im ersten Schritt empfehle ich, sich diese reflexhafte Abwehr bewusst zu machen. Das gelingt am besten durch innere Aufmerksamkeit und Reflexion.
  • Im zweiten Schritt sollte man sein inneres Kind beruhigen, das bei jedem Konflikt am liebsten trotzig „Nein“ brüllen möchte. Dann sollte man versuchen, die Situation vom Standpunkt des „guten Erwachsenen“ zu betrachten.

Beziehungsängstliche Menschen müssen lernen, dass es zwischen totaler Selbstaufgabe und radikaler Kompromisslosigkeit viel Spielraum gibt.

Punkt 3: Erforsche deine Angst vor Ablehnung!

Viele bindungsängstliche Menschen haben eine übergroße Angst vor Ablehnung und betreiben deshalb eine rigorose Vermeidungstaktik: Sie beschließen oftmals von vornherein, dass sie etwas nicht wirklich wollen – bspw. ein Partner sie wohlmöglich nerven könnte, eine Beziehung sie anstrengen könnte etc. – und sie es deshalb gleich sein lassen. Hinter diesem Verhalten verbirgt sich die unbewusste und abgrundtiefe Resignation sowieso nicht zu bekommen, was man will. Dieses Gefühl ist jedoch so unerträglich, dass es von unserer Psyche umgedreht wird in ein „Ich will ohnehin nicht“.

Was kann man tun, um sich selbst zu schützen ohne sich selbst radikal abzugrenzen?

  • Im ersten Schritt sollte man sich eingestehen, dass man diese Angst vor der Verletzung des Selbstwertes hat und ständig bemüht ist, sich dadurch zu schützen, dass man andere Menschen auf Abstand hält.
  • Im zweiten Schritt sollte man mit dieser Angst freundlich umgehen: Es ist das innere Kind, das in seiner Festung keinen Besuch gestatten will. Es braucht Trost und Ermutigung und nicht Schimpfe.

Wer lernt, diese Ängste zu überwinden, kommt dabei sich selbst und anderen Menschen näher. Denn das Kreisen um den eigenen Selbstschutz macht egozentrisch.

Weitersagen:

Auswege aus der Bindungsangst – für Betroffene (Teil 2)
Vertrauen ins Leben

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