Wir alle tun es täglich und doch fällt es uns oft schwer: Entscheidungen zu treffen. Besonders wenn sie unsere Lebenszufriedenheit betreffen und folgenreich sein können. Warum selbst falsche Entscheidungen besser sind als keine
Ein zentrales Element unseres psychischen Bauplans ist, dass wir fühlen. Und zwar am liebsten gut! Und angenehme Gefühle entstehen, wenn im Außen das geschieht, was wir innerlich anstreben. Glücksgefühle stellen sich ein, wenn wir mehr bekommen als erwartet. Unglücklich kann es uns hingegen machen, wenn das, was im Außen passiert, stark von dem abweicht, was wir uns wünschen und erwarten. Dieser simple Erwartungsabgleich wird in der Psychologie als das Konsistenzprinzip bezeichnet. Demnach strebt jeder Mensch nach Konsistenz: nach einer Übereinstimmung und Vereinbarkeit zwischen den inneren Bedürfnissen (psychischen Prozessen) und dem Erleben in der Realität. Je höher die Konsistenz ist, desto gesünder und zufriedener ist der Mensch. Der gegenteilige Zustand wird als Inkonsistenz bezeichnet und ist für Menschen unangenehm.
An dieser Stelle kommt wieder der Komparator ins Spiel, jene Instanz unseres Gehirns, die bewertet, ob wir das bekommen, was wir wollen. Und die permanent Erwartungen produziert, wie es weitergehen wird und wie die nächsten Schritte aussehen könnten. Wenn alles nach Plan läuft und der Komparator keine Abweichungen vom Plan anzeigt, sind wir entspannt. Werden aber stärkere Abweichungen angezeigt, empfinden wir Stress und müssen uns entscheiden: Wollen wir diese Abweichungen und somit auch die damit einhergehenden unangenehmen Gefühle akzeptieren oder trauen wir es uns zu, für unsere Bedürfnisse einzustehen?
Wer die Wahl hat, hat tatsächlich die Qual
Viele unserer Entscheidungen sind fester Bestandteil unserer Tagesroutinen und Verhaltensgewohnheiten und erfolgen sozusagen automatisch. Diese Entscheidungen und Handlungen gehen Hand in Hand und werden nicht weiter hinterfragt. Das ist effizient und der Vorteil von Routinen. Ein eingespieltes Anpassungsprogramm ist für die meisten Menschen zum Beispiel ihre Arbeit. Man hält sich an die Regeln von Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Effizienz. Man versucht, mit den Kolleginnen und Kollegen möglichst gut klarzukommen, und benimmt sich so, dass man als Teil der Gemeinschaft akzeptiert wird. Gleichwohl verläuft nicht immer alles reibungslos. Es gibt Interessenkonflikte innerhalb des Teams, es gibt unterschiedliche Auffassungen, es gibt persönliche Bedürfnisse und eben Abweichungen vom Plan. Tritt ein Konflikt, also eine Inkonsistenz, zwischen unseren persönlichen Interessen oder Überzeugungen und denen unserer Kollegen oder Vorgesetzten auf, dann analysieren wir in der Regel, ob es sich zu kämpfen lohnt oder ob es klüger wäre nachzugeben. Dann müssen wir uns entscheiden, denn es geht um nicht weniger als unsere Lebenszufriedenheit.
Es sind bis zu 20.000 Entscheidungen, die wir dem Münchner Hirnforscher Ernst Pöppel zufolge treffen müssen – und das jeden Tag. Die meisten davon blitzschnell und unbewusst. Viele haben keine großen Auswirkungen auf unser Leben, doch bei einigen geht es ums Ganze. „Wenn man die Wahl hat zwischen Austern und Champagner, so pflegt man sich in der Regel für beides zu entscheiden“, schrieb der deutsche Dichter Theodor Fontane und machte mit seinen Worten schon vor mehr als hundert Jahren deutlich, wie schwierig es uns fällt, sich für nur eine Option zu entscheiden. Die moderne Hirnforschung spricht deshalb von der Königsdisziplin des Gehirns. Denn mit jeder Entscheidung ist ein Prozess verbunden, der sowohl rationale als auch emotionale Abwägungen beinhaltet. Persönliche Ziele werden geprüft, die Erwartungen der Umwelt mit einbezogen und am Ende werden Alternativen begutachtet und beurteilt. Erst wenn all diese Vorgänge abgeschlossen sind und eine der Optionen für geeignet gehalten wird, um sowohl den eigenen Bedürfnissen als auch den Vorstellungen anderer gerecht zu werden, kommt es zur Wahl. Und wenn wir uns etwa dafür entscheiden, uns für unsere persönlichen Interessen im Job einzusetzen, ist dies immer auch eine Bauchentscheidung.
Der gute Draht zu den eigenen Gefühlen
So haben Hirnforscher ermittelt, dass das Unterbewusstsein einige Millionen Informationen pro Sekunde verarbeiten kann, das Bewusstsein jedoch nur 0,1 Prozent. Gerade, wenn Entscheidungen mit weitreichenden Folgen getroffen werden sollen, haben wir den Wunsch, gründlich vorzugehen. Es werden alle verfügbaren Informationen gesammelt, das Problem wird im Kopf hin und her gewälzt. Doch statt der erhofften Entscheidungshilfe überfordert uns die Flut an Informationen. Auf rationalem Weg lässt sich dem Chaos kaum Herr werden. Die Intuition aber, die sich in der Regel durch Körpergefühle bemerkbar macht, hilft, die Informationen zu filtern. So signalisiert beispielsweise ein wohliges Gefühl im Bauch ein „Go“, ein Stechen in der Brust ein „No.“ Mit derartigen intuitiven Entscheidungen liegen wir umso richtiger, je mehr Erfahrungen wir in einem Bereich gesammelt haben. Und gerade in unserem Job, sind das unendlich viele.
In der Typenlehre wird zwischen Fühlentscheidern und Denkentscheidern unterschieden. Fühlentscheider sind auf Harmonie und Ausgleich bedacht und bedenken bei ihren Entscheidungen immer auch die Konsequenzen für andere, während die Denkentscheider analytisch das Pro und Contra bearbeiten und sich dabei von faktischen Notwendigkeiten leiten lassen. Und dennoch hat jede Entscheidung auch einen gefühlsbedingten Anteil. Das erklärt, warum Menschen, die keinen guten Draht zu ihren eigenen Gefühlen haben, häufig in Entscheidungsschwierigkeiten geraten. Sie drehen sich beim Abwägen der Vor- und Nachteile regelrecht im Kreis und gelangen dabei oft zu der Feststellung, sie wüssten doch selbst gar nicht, was sie wollen. Natürlich nicht, denn wie sollen wir uns von einem unbestimmten Gefühl leiten lassen, wenn wir gar nicht in der Lage sind, es zu spüren? Mein vielleicht wichtigster Rat zur Stärkung der eigenen Entscheidungskompetenz lautet deshalb:
- Täglich zehn Minuten innehalten und sich fragen: Wie geht es mir eigentlich gerade? Was empfinde ich?
Warum auch falsche Entscheidungen Gutes nach sich ziehen
Wenn wir von diesem unbestimmten Gefühl sprechen, was uns in die eine oder andere Richtung lenkt, dann sprechen wir in der Regel auch von der Angst vor Fehlentscheidungen. Soll ich oder soll ich nicht? Empfinden wir in einer Entscheidungssituation Unsicherheit, sollten wir uns ein paar psychologische Erkenntnisse vor Augen führen:
- Die perfekte Entscheidung gibt es nicht. Wir sollten deshalb auch nicht erwarten, eine absolut richtige Entscheidung zu treffen.
- Viele Entscheidungen können wir rückgängig machen. Wir sollten nur nicht zu lange an Fehlentscheidungen festhalten und uns auf dem falsch eingeschlagenen Weg verrennen.
- Besonders schwer fallen uns Entscheidungen, wenn ein innerer Konflikt vorliegt, also zwei starke Bedürfnisse von uns aufeinanderprallen und um ihre jeweilige Erfüllung ringen. In dem Fall benötigen wir für eine gute Entscheidung Zeit, Ruhe und viel Reflektion.
- Bei Fehlentscheidungen, die nicht rückgängig gemacht werden können, bleibt uns nur radikale Akzeptanz. Alles, was wir jetzt noch tun können, ist daraus zu lernen, was für uns längerfristig auch von Vorteil ist.
Wo wir heute stehen und wo unser zukünftiger Weg uns hinführen wird, ist das Ergebnis zahlreicher Entscheidungen. In einem Zustand der Entscheidungsschwäche zu verharren, ist deshalb keine Option. Vielmehr benötigen wir den Mut, in die Welt der Entscheidungen einzutauchen, um dadurch die Chance erhöhen zu können, dass unsere inneren Bedürfnisse mit dem Erleben in der Realität übereinstimmen. Und auch um zu erkennen, dass am Ende falsche Entscheidungen immer noch besser sind als keine. Schließlich liefern sie uns eine hilfreiche Vorlage für die nächste gute Wahl.