Beziehungsfähigkeit, Selbstwert

Soll ich den Kontakt abbrechen? Oder gibt es eine bessere Lösung?

Wir alle treffen im Laufe unseres Lebens auf Menschen, mit denen es nicht ganz einfach ist. Manche Beziehungen fordern uns heraus – und lohnen sich trotzdem. Doch was tun, wenn eine Beziehung uns dauerhaft belastet? Ist ein kompletter Kontaktabbruch die einzige Lösung?

Kennst du das Gefühl, dass du dich in einer bestimmten Beziehung immer wieder klein, unsicher oder einfach nicht gut genug fühlst? Dass du dich um ein gutes Auskommen bemühst – und trotzdem bleibt ein schales Gefühl zurück? Wir alle haben Beziehungen in unserem Leben, die uns herausfordern. Das kann auch schlicht daran liegen, dass unterschiedliche Temperamente aufeinandertreffen. Aber es gibt einen Unterschied zwischen Beziehungen, die uns fordern und in denen wir uns dennoch sicher und respektiert fühlen – und solchen, die uns auf Dauer belasten. Die uns Energie und Selbstvertrauen nehmen.

Manchmal ist die Belastung so groß, dass man sich fragt: Soll ich den Kontakt abbrechen – oder gibt es eine andere Möglichkeit? Bevor man eine solche Entscheidung trifft, ist es wichtig, genau hinzuschauen: Liegt es wirklich am Verhalten der anderen Person – oder spielt auch die eigene Wahrnehmung eine Rolle?

Ist mein Gegenüber wirklich die Ursache?

Vielleicht fragst du dich jetzt: Bedeutet das, ich bin selbst schuld an meinem Unwohlsein? Ganz klar: Nein. Es geht nicht um Schuldzuweisung. Vielmehr geht es darum, die Beziehungsdynamik besser zu verstehen. Denn nicht immer ist nur das Verhalten der anderen ausschlaggebend – manchmal beeinflussen auch unsere eigenen Erfahrungen das Miteinander.

Wann das Verhalten einer anderen Person wirklich belastend ist:

  • Deine Grenzen werden nicht respektiert, auch wenn du sie klar formulierst.
  • Du fühlst dich nach Gesprächen oft erschöpft, verunsichert oder klein.
  • Kritik wird nicht angenommen, sondern sofort auf dich zurückgespiegelt („Du bist doch das Problem!“).
  • Du hast das Gefühl, dich ständig rechtfertigen oder beweisen zu müssen, um ernst genommen zu werden.
  • Die Person geht nicht auf deine Gefühle ein oder macht sie sogar lächerlich.
  • Konflikte wiederholen sich ohne Veränderung – du sprichst Dinge an, aber es bleibt alles beim Alten.

Wenn du viele dieser Punkte wiedererkennst, dann liegt der Grund für dein Unwohlsein nicht an deiner Sensibilität, sondern am Verhalten der anderen Person. Doch manchmal ist es nicht ganz so eindeutig. Manchmal fühlen wir uns nicht gut, weil wir in bestimmten Beziehungen unbewusst in alte Muster verfallen – etwa weil wir uns abgewertet und nicht respektiert fühlen, da wir ohnehin oft mit Unsicherheit zu kämpfen haben.

Was ist mein eigener Anteil?

Es kann hilfreich sein, sich zu fragen, ob man selbst bestimmte Verhaltensweisen oder Denkmuster mit in die Beziehung bringt, die einen verletzlicher für Konflikte oder Unsicherheit machen.

Welche Muster können schwierige Beziehungen beeinflussen?

Übermäßige Anpassung („Hauptsache Harmonie“)

  • Ich schlucke Dinge runter, um Streit zu vermeiden.
  • Ich überlege mir lange, wie ich etwas formuliere, um keinen Konflikt auszulösen.

Selbstzweifel („Vielleicht liegt es ja doch an mir…?“)

  • Ich nehme Kritik besonders stark wahr.
  • Ich suche konstant nach Bestätigung, um sicherzugehen, dass ich richtig fühle.

Alte Muster aus der Vergangenheit

  • Wurde ich als Kind oft nicht ernst genommen?
  • Musste ich mir Anerkennung „verdienen“?

Wichtig: Selbst wenn du dich in einem dieser Muster wiedererkennst, bedeutet das nicht, dass du schuld bist. Es bedeutet lediglich, dass du herausfinden kannst, wo du selbst aktiv Einfluss auf die Situation nehmen kannst.

Soll ich den Kontakt abbrechen – oder gibt es eine andere Möglichkeit?

Ein Kontaktabbruch wirkt oft radikal – und ist in vielen Fällen weder nötig noch möglich. Vielleicht geht es eher darum, die Beziehung bewusster zu gestalten oder für eine gewisse Zeit auf Abstand zu gehen.

Beziehung aktiv gestalten – mit neuen Regeln

Wenn dir die Beziehung grundsätzlich wichtig ist, es aber immer wieder zu schwierigen Dynamiken kommt, kannst du:

  • Grenzen setzen: Kommuniziere klar, was du brauchst.
  • Den Fokus auf das Positive lenken: Gibt es gemeinsame Bereiche, die gut funktionieren?
  • Erwartungen anpassen: Manche Menschen ändern sich nicht – aber du kannst deinen Umgang mit ihnen verändern.

Mehr innere und äußere Distanz schaffen

Wenn du den Kontakt nicht komplett abbrechen möchtest oder kannst (z. B. bei Familienmitgliedern oder im Job), aber merkst, dass du mehr Raum für dich brauchst, kannst du:

  • den Kontakt bewusst reduzieren: Weniger oft antworten, Treffen seltener annehmen.
  • Emotionale Distanz aufbauen: Dich innerlich abgrenzen und dich weniger stark von Aussagen oder Verhalten beeinflussen lassen.
  • eine bewusste Pause einlegen: Eine Phase mit weniger Kontakt kann helfen, mehr Klarheit zu bekommen.

Wenn ein klarer Abschied notwendig ist

Manchmal ist es trotz aller Bemühungen gesünder, eine Beziehung zu beenden – vorübergehend oder dauerhaft. Das bedeutet nicht, dass du nachtragend oder unfair bist, sondern dass sich Menschen unterschiedlich entwickeln können. Ein Abschied muss aber nicht abrupt oder hart sein. Anstatt jemanden kommentarlos aus deinem Leben auszuschließen, kannst du offen kommunizieren, dass du derzeit Abstand brauchst. Oft ergibt sich daraus ein sanftes Loslassen – ohne Schuldzuweisungen oder verletzende Konflikte.

Weitersagen:

So schützt du dich in schwierigen Beziehungen
Elternsein ohne Druck: 5 Tipps für mehr Gelassenheit im Alltag

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