Selbstbewusstsein, Selbstwert

Wie sieht mich die Welt?
Über die Kraft der Beachtung

Beachtung ist ein menschliches Grundbedürfnis wie Hunger oder Durst. Es ist also von so großer Bedeutung, dass es zu jeder Zeit unseres Lebens vorhanden ist. Und wird dieses Bedürfnis befriedigt, trägt dies maßgeblich zur Stärkung unseres Selbstwertgefühls bei. Was aber, wenn nicht?

Sich zugehörig zu fühlen, ist ein Grundbedürfnis, weil wir Menschen ohne die Gemeinschaft nicht überlebensfähig wären. Denn ohne Beziehung gäbe es keine Verteilung der Gene und ohne diese keine Verbreitung der Menschheit. Deswegen legt uns die Evolution so unheimlich viel Motivation in die Wiege, uns an andere Menschen zu binden. Damit wir Bindungen aber überhaupt knüpfen können, müssen wir zunächst beachtet werden. Mehr noch, um Zugehörigkeit zu erfahren müssen wir auf Anerkennung stoßen. Unser Gehirn rechnet also ständig Chancen und Risiken aus, womit wir wohl Zustimmung oder Ablehnung erfahren.

Bei dem Thema Beachtung geht es jedoch immer um eine subjektive Wahrnehmung. Dabei werden Wahrnehmungsreize der äußeren Welt unterbewusst mit unseren Erinnerungen verglichen und vermischen sich zu einem Vorstellungsbild. Von besonderer Bedeutung für unsere subjektive Wahrnehmung sind frühkindliche Programme, die sich insbesondere in unseren ersten sechs Lebensjahren entwickeln. In dieser Zeit vollziehen sich wichtige Schritte der Gehirnentwicklung, wobei Konditionierungen und Muster entstehen, die wir auch Prägungen nennen und die sich tief in uns einspuren.

Wir sind deshalb allesamt nicht in der Lage, rein objektiv wahrzunehmen und sehen das Verhalten anderer meist durch die Brille unserer Kindheitsprägungen. So kann der Grund für die Wahrnehmung, ständig übersehen zu werden, darin liegen, dass man als Kind häufig auf Nichtbeachtung gestoßen ist. Vielleicht mussten die Eltern viel arbeiten, hatten mehrere Kinder zu versorgen und konnten jedem einzelnen nur wenig Aufmerksamkeit schenken.

Eine Frage der Interpretation

Diese Prägungen gehen mit gewissen Glaubenssätzen einher, die maßgeblich unsere Wahrnehmung, unser Fühlen, Denken und Handeln beeinflussen. Und lautet einer unserer Glaubenssätze „Ich werde nicht beachtet“, folgt daraus zunächst ein Gefühl von Traurigkeit, weil wir scheinbar nicht gesehen werden. Die Glaubenssätze an sich würden gar nicht so viel ausrichten, wenn sie nicht mit belastenden Gefühlen verbunden wären. So erwächst aus negativen Glaubenssätzen, dessen Summe das sogenannte Schattenkind in uns ausmacht, eine permanente Angst, nicht zu genügen. Denn das Schattenkind trägt Wunden unseres Selbstwertgefühls in sich, Wunden, die im zwischenmenschlichen Bereich zu ständigen Fehlinterpretationen der Ereignisse führen.

Dass die meisten Prägungen bereits gelaufen sind, bevor wir uns erinnern können, ist dabei eigentlich eine gute Nachricht. Es bedeutet nämlich auch: Unsere Glaubenssätze sagen nichts über unseren aktuellen Wert aus. Das Problem ist ja, dass wir uns noch als Erwachsene mit diesen alten Botschaften identifizieren. Wenn wir aber begreifen, dass diese Sätze nicht über uns etwas aussagen, sondern nur über gewisse Verhaltensweisen unserer Eltern, dann haben wir den ersten Schritt schon geschafft.

Drei weitere Schritte sollten an dieser Stelle folgen:

  • Der Rückblick: Je mehr wir uns mit unserer Vergangenheit beschäftigen, desto mehr Verhaltensmuster werden uns bewusst, die ihren Ursprung in der Kindheit haben. In dem Fall können wir darüber nachdenken, ob das Muster noch hilfreich und förderlich ist. Und immer, wenn wir uns dabei ertappen, dass wir wieder in unserer alten Matrix gelandet sind – also bei unserem Schattenkind –, können wir bewusst in unsere heutige Erwachsenenrealität umschalten und uns sagen: Hey, das sind alte, willkürliche Prägungen, die nicht stimmen. Allein die Erkenntnis wird uns lehren, über neue Strategien nachzudenken.
  • Die Umkehrung: Eine weitere Strategie besteht darin, sich neue Glaubenssätze zu suchen, die unserer heutigen Realität angemessen sind. Wir können auch unsere Kernglaubenssätze einfach umkehren und aus „Ich werde nicht beachtet“ „Ich werde beachtet“ machen. Die Umkehrung erleichtert es unserem Gehirn, neue Glaubenssätze abzuspeichern und in unserem Unterbewusstsein als abrufbare Erfahrungswerte zu lagern.
  • Die Tranformation: Bei der Bildung neuer Glaubenssätze ist es hilfreich, wenn wir sie mit schönen Situationen in unserem Leben verbinden. Situationen, in denen sich diese Glaubenssätze bewahrheitet hatten. Und jeder von uns wird sich an Situationen erinnern, in denen wir von anderen mit freundlicher Zugewandtheit empfangen und mit wohlwollenden Augen gesehen wurden.

Die Begegnungs-Formel

Grundsätzlich läuft alles, was wir wahrnehmen, durch den subjektiven Filter unserer persönlichen Erinnerungen und unseres Selbstbildes. Wir empfangen also einen Reiz aus der Außenwelt – zum Beispiel zieht unser Gegenüber die Mundwinkel nach oben –, dann interpretieren wir diesen Reiz (blitzschnell und unbewusst) entweder als ein Lächeln oder als ein blödes Grinsen. Aus dieser Interpretation ergibt sich ein angenehmes Gefühl (Freude) oder ein unangenehmes (Ärger), das wiederum einen Verhaltensimpuls auslöst: Wir lächeln beispielsweise zurück oder wir mustern unser Gegenüber mit genervtem Gesichtsausdruck.

Auf Reiz folgt Interpretation, folgt Emotion, folgt Verhalten, lautet die kurze Formel, welche die Art und Weise beschreibt, wie wir unseren Mitmenschen begegnen und wie wir diese Begegnung wahrnehmen. Dabei neigt unser Schattenkind dazu, unsere Mitmenschen grundsätzlich negativ verzerrt wahrzunehmen. Diesem Anteil unseres inneren Kindes sind wir aber nicht hilflos ausgeliefert. Schon das Erkennen, dass man in einen alten Film geraten ist, hilft, sich bewusst für neue Gedanken und Verhaltensweisen zu entscheiden. Wer sich also bei der nächsten Begegnung mit anderen Menschen mal wieder übersehen fühlt, sollte sich dieses Mal nicht wegducken, sondern sagen, „Hallo, hier bin ich!“ Es ist nämlich wirklich erstaunlich, wie viel Beachtung man plötzlich erfährt, nur weil man seine Haltung geändert hat.

Weitersagen:

Entmachte deine negativen Glaubenssätze

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